vfa-Empfehlungen zu nichtinterventionellen Prüfungen mit Arzneimitteln – Version 2014
Ersetzt die Version der vfa-Empfehlungen aus dem Jahr 2007 bzw. die überarbeitete Version aus dem Jahr 2012»
Diese vfa-Empfehlungen richten sich an Mitgliedsunternehmen, die nichtinterventionelle Prüfungen mit Arzneimitteln im Sinne der Definition in § 4 Abs. 23 Satz 3 Arzneimittelgesetz (AMG)(1)
durchführen, welche in § 67 Abs. 6 AMG[1] als Anwendungsbeobachtungen (AWB) bezeichnet werden. Diese Untersuchungen sind dazu bestimmt, Erkenntnisse bei der Anwendung zugelassener Arzneimittel zu gewinnen, um den Nutzen von Behandlungsmaßnahmen in der routinemäßigen Anwendung durch Arzt und Patient zu bestimmen und hierbei auch unerwünschte Nebenwirkungen zu erkennen(2)
(3)
(4)
.
Diese Prüfungen zeichnen sich vor allem durch das Erfordernis einer Nichtbeeinflussung des behandelnden Arztes in Bezug auf die Indikationsstellung sowie die Wahl und Durchführung der Therapie im Einzelfall aus (Grundsatz der Nichtintervention)(5)
. Der Sicherstellung dieses Grundsatzes sowie der erwünschten Qualität des durch solche Prüfungen gewonnenen Erkenntnismaterials dienen die "Empfehlungen zur Planung, Durchführung und Auswertung von Anwendungsbeobachtungen" des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) und des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI)(6)
sowie die Regelungen im Kodex „Fachkreise“ der „Freiwillige Selbstkontrolle für die Arzneimittelindustrie e.V.“ (FSA)(7)
.
In Ergänzung zu den gesetzlichen Regelungen im AMG sehen die Empfehlungen der Bundesoberbehörden BfArM und PEI und der FSA-Kodex hierbei insbesondere auch das Erfordernis einer grundsätzlich an der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ)(8)
zu orientierenden, angemessenen Vergütung vor, mit der Maßgabe, dass durch die Honorierung kein Anreiz zu einer Verordnung eines Arzneimittels entstehen darf (vgl. z. B. Beschluss vom 09.02.2009 zum Az.: FS II 5/08/2007.12-217(9)
(10)
; Publikation zur Honorierung bei AWB(11)
).
Die einschlägigen gesetzlichen Regelungen verfolgen gleichzeitig das Ziel, die Transparenz gegenüber der kassenärztlichen Bundesvereinigung, dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen, dem Verband der privaten Krankenversicherung und der zuständigen Bundesoberbehörde (vgl. § 67 Abs. 6 AMG[1]) sicherzustellen. Die Bundesoberbehörden sind seit August 2013 dazu verpflichtet, ihnen nach § 67 Abs. 6 angezeigte Anwendungsbeobachtungen in einem öffentlich zugänglichen Register einzustellen. Nichtinterventionelle Prüfungen nach § 67 Abs. 6 AMG sind ein unverzichtbares Instrument zur Generierung von Erkenntnissen über Arzneimittel zum Nutzen der Patienten.
Daher ist die Einhaltung hoher Qualitätskriterien sowie eine größtmögliche Transparenz sicherzustellen.
Deshalb empfiehlt der vfa die Einhaltung folgender, über die bestehenden gesetzlichen Vorgaben und Empfehlungen hinausgehenden Maßnahmen für die Planung, Durchführung und Auswertung solcher Untersuchungen durch pharmazeutische Unternehmen:
- Die wissenschaftliche Ausrichtung dieser Untersuchungen ist sicherzustellen.
- Die Planung, Leitung, Durchführung, Auswertung und die Qualitätssicherung sollen innerhalb des Unternehmens im Ver¬antwortungsbereich des Leiters der medizinischen Abteilung erfolgen, um die wissenschaftliche Ausrichtung dieser Untersuchungen sicherzustellen.
Dies beinhaltet auch die Budgetverantwortlichkeit und die Implementierung (etwa die Auswahl der Studienzentren und Ansprache von Ärzten oder anderen Angehörigen der Fachkreise).
Dies gilt auch, soweit Mitarbeiter anderer Bereiche an der Implementierung und Durchführung beteiligt sind.
- Die Unternehmen sollen die Grundsätze und hierbei zu beachtenden innerbetrieblichen Prozessabläufe für die Planung, Durchführung und Auswertung sowie geeignete Qualitätssicherungsmaßnahmen in unternehmenseigenen Prozessbeschreibungen konkretisieren. Hierbei sollen neben den gesetzlichen Rahmenbedingungen sowie den Empfehlungen des BfArM/PEI auch die einschlägigen Bestimmungen im FSA-Kodex sowie diese Empfehlungen umgesetzt werden.
- Die Unternehmen sollen ihre Mitarbeiter und beauftragte Dritte, die bei der Planung, Durchführung und Auswertung solcher Untersuchungen tätig werden, regelmäßig über diese Prozessbeschreibungen schulen und hierbei auch auf die Bedeutung der gesetzlichen Rahmenbedingungen, der Empfehlungen des BfArM/PEI(6) , der einschlägigen Bestimmungen im FSA-Kodex(16) sowie dieser Empfehlungen hinweisen.
- Die Einbeziehung von Patientendaten in eine nichtinterventionelle Prüfung/AWB setzt eine vorherige schriftliche Patientenaufklärung und –einwilligung durch den behandelnden Arzt oder andere Angehörige der Fachkreise über die Beteiligung an einer solchen Prüfung und die vorgesehene Verwendung der zu erhebenden Daten nach Maßgabe des Bundesdatenschutzgesetzes voraus.
- Vor der Durchführung ist eine Beratung durch eine nach Landesrecht gebildete unabhängige Ethik-Kommission einzuholen.
- Mit Prüfungsbeginn sollen Informationen über nichtinterventionelle Prüfungen/AWB nach § 67 Abs. 6 AMG (u. a. Studientitel, Zielsetzungen) in ein öffentlich zugängliches Register eingestellt werden, wobei es den vfa-Mitgliedsunternehmen freisteht, ein Register auszuwählen. Dabei ist darauf zu achten, dass eine grundlegende wissenschaftliche Nachvollziehbarkeit der Einträge gegeben ist. Diese Transparenzverpflichtung ist seit August 2013 über die gesetzliche Meldeverpflichtung nach § 67 Abs. 6 AMG und die darin vorgesehene Veröffentlichung der Anzeigen durch die Bundesoberbehörden (BfArM/PEI) bereits erfüllt. Eine weitere Registrierung ist gesetzlich nicht vorgesehen.
- Die Zusammenfassung der Ergebnisse soll spätestens 12 Monate nach Abschluss der Datenerfassung (d.h. Datenbankschluss) veröffentlicht werden. Die Veröffentlichung der Zusammenfassung der Ergebnisse erfolgt unter Berücksichtigung der Hauptparameter der „STROBE Checklist of items that should be included in reports of observational studies“ für die Publikation von Beobachtungsstudien(15) - Basis dieser Checkliste ist das STROBE-Statement(17) . Diese Transparenzverpflichtung ist ebenfalls seit August 2013 über die gesetzliche Meldeverpflichtung nach § 67 Abs. 6 AMG und die darin vorgesehene Veröffentlichung der Ergebnisberichte durch die Bundesoberbehörden bereits erfüllt. Eine weitere Veröffentlichung der Prüfungsergebnisse in Datenbanken ist gesetzlich nicht vorgesehen.
Die Mitgliedsunternehmen des vfa sind gefordert, diese Empfehlungen zum Zwecke der Erreichung einer hohen Qualität und größtmöglicher Transparenz bei der Planung, Durchführung und Auswertung solcher Untersuchungen zu berücksichtigen und umzusetzen.
Hinweis 1:
Zum Zeitpunkt der Erstellung (2007) bzw. der ersten Überarbeitung der vfa-Selbstverpflichtung (2012) war der Ansatz des vfa und seiner Mitgliedsunternehmen insbesondere im Hinblick auf die Transparenz bei nichtinterventionellen Prüfungen ein großer und wichtiger Schritt. Der vfa und seine Mitgliedsunternehmen begrüßen es daher, dass der Gesetzgeber die Grundsätze der vfa-Selbstverpflichtung für Anwendungsbeobachtungen mit Arzneimitteln im Jahr 2013 gem. § 67 Abs. 6 AMG auf alle nichtinterventionelle Prüfungen in Deutschland ausgeweitet hat.
Die Vorgaben der vfa-Selbstverpflichtung in Hinblick auf die Transparenz von nichtinterventionellen Prüfungen sind durch die mit dem 3. AMG-Änderungsgesetz am 13. August 2013 in Kraft getretenen Regelungen jetzt auch im AMG abgedeckt. Um Doppelregelungen zu vermeiden, verweist die aktuelle vfa-Selbstverpflichtung für alle nach diesem Zeitpunkt begonnenen NIS/AWB auf diese Neuregelungen. Daher sind für alle nichtinterventionellen Prüfungen/AWB, die seit 13. August 2013 den Bundesoberbehörden angezeigt wurden, die Transparenzvorgaben der vfa-Selbstverpflichtung bereits erfüllt.
Allerdings ist aktuell noch nicht absehbar, wann ein öffentlich zugängliches Register für NIS/AWB seitens der Bundesoberbehörden freigeschaltet werden wird. Um bis dahin die Transparenz gegenüber der Öffentlichkeit sicherzustellen, sollen für alle NIS/AWB, die in der Übergangszeit vom 13. August 2013 bis zur Freischaltung eines öffentlich zugänglichen Registers seitens der Bundesoberbehörden begonnen werden, weiterhin die Regelungen dieser Selbstverpflichtung greifen. Die Neuregistrierung im vfa-Register läuft erst nach diesem – derzeit noch unbestimmten - Zeitpunkt aus.
Auch nach diesem Zeitpunkt bleiben alle bestehenden Einträge im vfa-Register erhalten. Das bedeutet, dass für alle derzeit im Register vorhandenen nichtinterventionellen Prüfungen/AWB die Veröffentlichung der Ergebnisberichte auch weiterhin Bestandteil der vfa-Selbstverpflichtung ist. Dies ist von den vfa-Mitgliedsunternehmen sicherzustellen.
Hinweis 2:
Zum Zeitpunkt der Erstellung bzw. der ersten Überarbeitung der vfa-Selbstverpflichtung sind auch sogenannte nichtinterventionelle Unbedenklichkeitsprüfungen unter diese vfa-Selbstverpflichtung gefallen. Seit dem Inkrafttreten des 2. AMG-Änderungsgesetzes im Oktober 2012 sind diese in § 4 Abs. 34 AMG als nichtinterventionelle Unbedenklichkeitsprüfungen eigenständig definiert und in § 63 f AMG mit entsprechenden Meldeverpflichtungen versehen.
Somit sind auch für diese nichtinterventionellen Unbedenklichkeitsprüfungen umfassende Meldeverpflichtungen vorgesehen. Der vfa sieht daher davon ab, seine Selbstverpflichtung im Hinblick auf die Transparenz weiterhin auf diese nichtinterventionellen Unbedenklichkeitsprüfungen anzuwenden. Der vfa und seine Mitgliedsunternehmen sehen sich aber bei den grundlegenden Qualitätskriterien solcher nichtinterventioneller Unbedenklichkeitsprüfungen analog an diese Vorgaben gebunden. Die Transparenz ist über die Regelungen in § 63 f AMG bzw. die zugehörigen EU-Vorgaben umfassend geregelt.
Literaturverzeichnis:
(1) "Arzneimittelgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. Dezember 2005 (BGBl. I S. 3394), Artikel 1 des Gesetzes vom 10. Oktober 2013 (BGBl. I S. 3813) geändert worden ist"; abrufbar unter dem Link: http://www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/amg_1976/gesamt.pdf
(2) K. Wink; Stellungnahme im Auftrag der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft „Anwendungsbeobachtung in der ärztlichen Praxis“; 2. Auflage 2010; verfügbar unter den Link: http://www.akdae.de/Stellungnahmen/Weitere/20101218.pdf
(3) Pressemitteilung des Bundesgesundheitsministeriums; Nr. 103 vom 02. Oktober 2009; verfügbar unter den Link: http://www.bmg.bund.de/fileadmin/redaktion/pdf_pressemeldungen/2009/091002-PM-anwendungsbeobachtung.pdf
(4) Dokumentation der Veranstaltung "Die Bedeutung nicht interventioneller Studien für die Bewertung der Wirksamkeit und der Sicherheit von Arzneimitteln" ist abrufbar unter dem Link: http://www.bfarm.de/DE/BfArM/Termine-und-Veranstaltungen/Dialog_und_Sonstige/2006/060829-Dialog.html
(5) A. Koch, J. Windeler, U. Abel; Anwendungsbeobachtungen: zu Begriff und Nutzen Med Klin. 1996;91(2):103-5.
(6) Empfehlungen des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte und des Paul-Ehrlich-Instituts zur Planung, Durchführung und Auswertung von Anwendungsbeobachtungen vom 7. Juli 2010; abrufbar unter dem Link: http://www.pei.de/cln_170/nn_160648/DE/infos/pu/02-klinische-pruefung/klin-pruef-awb/klin-pruef-awb-node.html?__nnn=true
(7) Kodex zur Zusammenarbeit von Pharmaunternehmen und medizinischen Fachkreisen des FSA ("Freiwillige Selbstkontrolle für die Arzneimittelindustrie e.V."); abrufbar unter dem Link: http://www.fs-arzneimittelindustrie.de/verhaltenskodex/fachkreise/
(8) Die Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) ist abrufbar unter dem Link: http://www.gesetze-im-internet.de/go__1982/BJNR015220982.html
(9) Die Entscheidungen des FSA-Kodex „Fachkreise“ sind abrufbar unter dem Link: http://www.fs-arzneimittelindustrie.de/schiedsstelle/berichterstattung/
(10) Die Entscheidungen des FSA-Kodex „Fachkreise“ sind abrufbar unter dem Link: http://www.fs-arzneimittelindustrie.de/BerichterstattungnachDat.html
(11) T. Ruppert, M. Hahn, F. Hundt; Honorierung von nichtinterventionellen Prüfungen mit Arzneimitteln in Deutschland – Ergebnisse einer Umfrage in der pharmazeutischen Industrie; GMS Ger Med Sci 2012; 10:Doc04 (20120207); abrufbar unter dem Link: http://www.egms.de/static/pdf/journals/gms/2012-10/000155.pdf
(12) Leitlinien und Empfehlungen zur Sicherung von Guter Epidemiologischer Praxis (GEP), April 2004: http://www.gmds.de/publikationen/1b_LeitlinienUndEmpfehlungen_April2004.pdf
(13) Hahn M, Bethke TD, Ruppert T, Hundt F. Ergebnisse einer Umfrage zu angewandten Qualitätsstandards in nicht-interventionellen Studien unter den Mitgliedsunternehmen des Verbandes der forschenden Pharma-Unternehmen in Deutschland. GMS Ger Med Sci 2010;8:Doc29. Verfügbar unter: http://www.egms.de/static/pdf/journals/gms/2010-8/000118.pdf
(14) Theobald K, Capan M, Herbold M, Schinzel S, Hundt F. Quality assurance in non-interventional studies. GMS Ger Med Sci. 2009;7:Doc29. Verfügbar unter: http://www.egms.de/static/pdf/journals/gms/2009-7/000088.pdf
(15) Wörz K, Hundt F. Results of a quality control on non-interventional studies. GMS Ger Med Sci. 2011;9:Doc21. DOI: 10.3205/000144; Verfügbar unter: http://www.egms.de/static/de/journals/gms/2011-9/000144.shtml
(16) Kodex zur Zusammenarbeit von Pharmaunternehmen und medizinischen Fachkreisen des FSA ("Freiwillige Selbstkontrolle für die Arzneimittelindustrie e.V."); abrufbar unter dem Link: http://www.fs-arzneimittelindustrie.de/verhaltenskodex/fachkreise/
(17) Die Checkliste zum STROBE-Statement für „observational studies“ ist abrufbar unter dem Link: http://www.strobe-statement.org/fileadmin/Strobe/uploads/checklists/STROBE_checklist_v4_combined.pdf
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