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Aus der Contergan-Katastrophe gelernt

Vor 50 Jahren ereignete sich die größte Tragödie in der Anwendung von Medikamenten. Contergan, ein Schlaf- und Beruhigungsmittel kam auf den Markt und verursachte in den folgenden Jahren bei Tausenden von Kindern, deren Mütter das Präparat während der Schwangerschaft eingenommen hatten, schwere Missbildungen; viele starben. Aus dieser Tragödie haben Industrie und Gesetzgeber gelernt: Die Sicherheitsprüfungen, die ein Medikament vor der Anwendung bei Menschen durchlaufen muss, wurden daraufhin wesentlich verschärft.

So konnte 1964 - drei Jahre nachdem das Medikament vom Markt genommen wurde - erstmals ein auf einem Tierversuch basierendes Testverfahren gefunden werden, durch das sich die Gefahr von Missbildungen nachweisen lässt. Seither sind Prüfungen auf Teratogenität - also eine Missbildungen hervorrufende Wirkung auf Embyronen und Föten - bei jedem neuen Wirkstoff fester Bestandteil des vorklinischen Testprogramms. Deshalb ist seither kein Präparat mehr auf den Markt gekommen, bei dem die teratogene Wirkung übersehen worden wäre.

Als 1978 das erste deutsche Arzneimittelgesetz verabschiedet wurde, wurden Tests auf Teratogenität auch gesetzlich als Vorbedingung für eine Arzneimittelzulassung vorgeschrieben.

Tests vor der Einnahme durch Menschen

Insgesamt umfasst heute das vorklinische Testprogramm für neue potenzielle Wirkstoffe Tests auf folgende mögliche Schadwirkungen:

  • Akute Giftigkeit (z. B. für die Leber, Niere oder Nerven)
    • Erbgutveränderungen (Mutagenität)
      • das Auslösen von Krebs (Kanzerogenität)
        • Missbildungen bei Embryonen oder Föten
          • Unfruchtbarkeit
          Dabei wird mit untersucht, welchen günstigen oder ungünstigen Einfluss die Aufnahme- und Ausscheidungswege auf diese Schadwirkungen haben.

          Die Tests werden in erster Linie im Reagenzglas, mit Bakterienkulturen und mit Versuchtieren durchgeführt. Auch Hühnereier und Zellkulturen kommen für bestimmte Tests zum Einsatz.

          Die Testergebnisse müssen den Zulassungsbehörden zur Begutachtung vorgelegt werden, ehe diese die erste Anwendung eines neuen Wirkstoffs bei Menschen im Rahmen von klinischen Studien genehmigen. Später, wenn der Antrag auf Zulassung des fertig entwickelten Medikaments eingereicht ist, mustern die Zulassungsstellen noch einmal die Ergebnisse sämtlicher Sicherheitsprüfungen.

          In der Entwicklungsphase, in der ein künftiges Medikament mit Gesunden und Patienten erprobt wird, werden keine Schwangeren in die Studien einbezogen. Studienteilnehmerinnen im fruchtbaren Alter müssen zuverlässig verhüten.

    Arzneimittel und Schwangerschaft

    • In der Regel wird die Entwicklung eines neuen Wirkstoffs abgebrochen, wenn sich zeigt, dass er teratogen ist. Geht es allerdings um schwere Krankheiten, die mit bisherigen Medikamenten nicht gut behandelt werden können (etwa Krebs oder rheumatoide Arthritis), werden neue Medikamente auch dann zu Ende entwickelt, wenn ihre Wirkstoffe als teratogen erkannt wurden. Damit anschließend sichergestellt ist, dass die Medikamente nicht versehentlich Schwangeren verordnet werden, werden Ärzte in Schulungen darauf hingewiesen und entsprechende Warnungen in die Beipackzettel aufgenommen.

      Eine Warnung findet sich im Beipackzettel aber auch dann, wenn der Wirkstoff in Tierversuchen keinerlei Teratogenität gezeigt hat (also wahrscheinlich unbedenklich ist), aber keine umfassenden Erfahrungen mit der Anwendung in der Schwangerschaft vorliegen. Weil es sich aus ethischen Gesichtspunkten verbietet, Studien mit Schwangeren durchzuführen, gibt es dazu keine Alternative.

      Substanzen mit bekannter teratogener Wirkung dürfen Frauen nur verordnet werden, wenn eine Schwangerschaft ausgeschlossen wurde und sie auf sichere Weise verhüten.

      Während der Schwangerschaft (wie auch der Stillzeit) sollten Arzneimittel grundsätzlich nur dann angewendet werden, wenn es starke Gründe gibt, die Krankheit der Mutter nicht medikamentös unbehandelt zu lassen (Mediziner sprechen von "strenger Indikationsstellung"), wobei das Risiko für Mutter und Kind abgewogen werden muss. Beispielsweise würden es eine schwangere Typ-1-Diabetikerin und ihr ungeborenes Kind beide nicht überleben, wenn die Insulininjektionen abgesetzt würden. Hingegen wäre bei Heuschnupfen und vielen anderen Krankheiten der Verzicht auf eine medikamentöse Behandlung vorzuziehen, um jedes Risiko für das ungeborene Kind auszuschließen.

      Vorsicht ist nicht nur bei verschreibungspflichtigen Präparaten, sondern auch bei der Selbstmedikation angebracht. Hier gilt: Vor der Anwendung jedes Medikaments - und sei es "nur" gegen Kopfweh - einen Apotheker oder Arzt zur Rate ziehen.

    Arzneimittelsicherheit allgemein

    • Arzneimittel dürfen in europäischen Ländern wie auch fast allen andern Ländern der Erde nur in den Handel gebracht werden, wenn sie während ihrer Entwicklung umfassend auf Wirksamkeit, Verträglichkeit und Qualität getestet und von einer Zulassungsbehörde nach Prüfung aller Studienergebnisse freigegeben wurden. Nähere Informationen hierzu bietet der VFA unter www.vfa.de/laborundklinik und in seiner Broschüre "F&E Konkret 5 - Forschung für das Leben".

      Nach der Zulassung sind die Hersteller verpflichtet, in engem Austausch mit den Arzneimittelbehörden die Sicherheit der Arzneimittel zu überwachen und Hinweisen auf problematische Nebenwirkungen - im offiziellen Fachjargon: unerwünschten Arzneimittelwirkungen - nachzugehen. Die Behörden können darauf aufbauend jederzeit Warnungen an Ärzte und Apotheker veranlassen, das Anwendungsgebiet des Arzneimittels einschränken oder das Medikament wieder vom Markt nehmen.
Unsere Mitglieder und ihre Standorte

Unsere Mitglieder und ihre Standorte

Die Mitglieder des vfa repräsentieren mehr als zwei Drittel des gesamten deutschen Arzneimittelmarktes und beschäftigen in Deutschland rund 102.000 Mitarbeiter:innen.
Rund 21.000 davon sind für die Erforschung und Entwicklung von Arzneimitteln tätig. Allein in Deutschland investieren die forschenden Pharma-Unternehmen jährlich 9,6 Mrd. Euro in die Arzneimittelforschung für neue und bessere Medikamente. Dies entspricht etwa 42 Millionen Euro pro Arbeitstag.